Ein ehemaliger Schönberger Sippenführer hält Rückschau
Aus dem Probsteier Herold vom 15.09.2006 und 19.06.2006
Mein Name ist Peter Lammertz.
Ich bekam vor etwa einem Dreivierteljahr von einem ehemaligen Schulkameraden einen Ausschnitt aus dem „Probsteier Herold“ zugeschickt, in dem über das 1-jährige Bestehen der Christlichen Pfadfinder in Schönberg berichtet wurde. Außerdem forderte darin Moritz Keppel ehemalige Pfadfinder auf, sich zu einem Erfahrungsaustausch bei ihm zu melden.
Mein Schulkamerad meinte, das wäre doch etwas für mich und natürlich fühlte ich mich als ehemaliger Pfadfinder angesprochen, nahm Kontakt zu Moritz auf und nun bin ich hier.
Wenn Sie/Ihr etwas Zeit mitgebracht haben bzw. habt, möchte ich erst einmal einen kurzen Abriß meines Lebenslaufs geben, der vielleicht für viele von Ihnen/Euch auch ganz interessant ist, insbesondere deshalb, weil er meine Jugendjahre unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg betrifft und so in gewisser Weise ein historisches Zeitdokument darstellt. Viele Erinnerungen sind noch vorhanden, andere – insbesondere genaue Daten – sind nicht mehr vorhanden.
Ich wurde 1938 in Kiel geboren, bin also ein echter Schleswig-Holsteiner und inzwischen 68½ Jahre alt. Als mein Vater 1949 arbeitslos wurde, nahm er in Brasilien hier am Strand eine Hausmeister-Stelle für mehrere Häuser an, die einem Drogisten aus Kiel gehörten. So zogen wir um und wohnten nun direkt hinterm Deich. Für uns drei Kinder, ich war 11 Jahre und meine Geschwister 4 und 6 Jahre, natürlich eine tolle Wohnlage. Frühling, Sommer und Herbst verbrachten wir fast nur am Strand, wir brauchten nur über den Deich zu gehen.
Im Winter war es allerdings nicht ganz so schön. Zwar hab ich das Schlittschuhlaufen und Eishockey-Spielen auf den zugefrorenen Auen, die die Salzwiesen durchzogen, gelernt, aber der Weg zur Schule nach Neu-Schönberg – natürlich zu Fuß – war doch oft anstrengend. Schön war allerdings, daß an so manchem Tag die Straße nach Schönberg hoch zugeschneit war und wir erst, nachdem der Schneepflug die Straße geräumt hatte, wieder zur Schule durften oder besser gesagt: „mußten“.
Schlimm waren die Winterstürme, die Sturmfluten mit sich brachten. Der Deich war natürlich nicht so ausgebaut wie heute, sondern sehr urwüchsig mit vielen Dünen und mit Strandhafer bewachsen. Der Deich lag sehr viel näher am Wasser als heute und hatte nur einen kleinen Trampelpfad auf der Deichkrone. Ich erinnere mich an eine schlimme Sturmflut, es muß im Winter 1949 oder 1950 gewesen sein, da mußten alle Männer an den Deich, der zwischen Brasilien und Kalifornien an mehreren Stellen zu brechen und alles zu überschwämmen drohte. Es mußten Sandsäcke gefüllt und in Menschenketten zum Deich transportiert werden, um die ausgewaschenen kritischen Stellen im Deich abzudichten. Ganz so, wie wir es in den Fernsehberichten in den letzten Jahren über das Hochwasser an der Elbe gesehen haben. Die ganze Nacht über haben die Männer vom Strand und aus Schönberg zusammen mit der Feuerwehr am Deich gearbeitet.
Meine Mutter und wir Kinder wurden mit anderen Familien aus Brasilien und Kalifornien nach Schönberg evakuiert und im Krankenhaus und in Schulräumen einquartiert. Das war für uns Kinder natürlich abenteuerlich. Nach einigen Tagen war das Abenteuer aber wieder vorbei und wir mußten zurück in unsere Wohnungen.
Ansonsten war das Leben in unserem Haus hinterm Deich natürlich recht einfach. Wasser mußte aus einem Brunnen hinterm Haus gepumpt werden, die Toilette war im Schuppen auf dem Hof, in dem Holz, Kohlen und Torf zum Heizen lagen. Ich erinnere, daß mein Vater mit vielen anderen Männern oft zum Torfstechen in den Salzwiesen in der Nähe war. Der Torf wurde in Stücken ausgestochen, die etwas größer als Briketts waren und dann in riesigen Stapeln zum Trocknen gelagert. Dafür bekam er sicher etwas bezahlt, aber als Sachleistung auch Torf zum Eigenverbrauch.
Eßbares wurde im Kartoffel- und Gemüsegarten hinterm Haus angebaut und Eier lieferten die selbst großgezogenen Hühner. Ich erinnere, daß meine Eltern ganz kleine Küken bei Velfe in Schönberg kauften, je kleiner, desto billiger waren sie wohl. Ich meine, daß sie 10 oder 15 Pfennige das Stück kosteten. In der Wohnung in einem kleinen Verschlag haben meine Eltern sie dann unter einer wärmenden Lampe hochgepäppelt. Ernährt wurden sie mit kleingehackten gekochten Eiern und später mit Korn, das wir im Herbst auf den Feldern gestoppelt haben. Außerdem hielten wir Kaninchen, für die wir Kinder in den Salzwiesen reichlich saftiges Gras und Löwenzahn pflückten. Außerdem gehörte eine Pute zu unserem Tierbestand. Auf den Salzwiesen, auf denen viele Kühe weideten, sammelten wir Champignons – die insbesondere nach Regen – zahlreich aus der Erde schossen.
Sehr oft gab es Fisch bei uns, die meine Mutter oder ich beim Fischer in Kalifornien morgens frisch vom Fang holten, meistens Dorsche oder auch Makrelen. Bezahlt wurden diese oft mit Waschpulver oder Seife, für die meine Eltern wegen ihrer drei kleinen Kinder reichlich Zuteilungsmarken von der Gemeindeverwaltung bekam.
Mein Vater, der Tischler war, drechselte oft runde Schmuckdosen aus Holz oder baute Nähkästen, auch die waren begehrte Tauschobjekte für Fisch aber auch für andere Lebensmittel wie Kartoffeln, Korn oder Mehl, die wir bei den Bauern auf den Höfen in der Umgebung, die wir mit dem Fahrrad abklapperten, erstanden.
Vermutlich 1951 bekam mein Vater dann eine Anstellung bei der Firma Wulf & Sohn (Bus- und LKW-Betrieb) in Schönberg und wir zogen um, zuerst in eine Baracke am Kuhlenkamp und dann in eine Finnenhaushälfte in der Theodor-Körner-Straße in der Siedlung Tobruk.
Nun hielt die Zivilisation bei uns Einzug, denn wir hatten im Gegensatz zur Pumpe am Strand nun fließendes, allerdings kaltes Wasser, das bei Bedarf im Teekessel heiß gemacht werden mußte und wir hatten eine Spültoilette sowie ein kleines Badezimmer, in dem das Badewasser aber noch in einem riesigen Badeofen mit Kohle angeheizt werden mußte (Boiler oder elektrische Erhitzer gab es natürlich noch nicht). Badetag war immer am Freitag, wobei aus Ersparnisgründen alle Kinder zusammen oder hintereinander im selben Wasser gebadet wurden.
Apropos „Kohle“. Da fällt mir eine lustige Geschichte ein. Damals gab es das Kino „Blitz“ am Markt, das es erstaunlicherweise heute auch noch gibt. Für uns Kinder und Jugendliche war es natürlich spannend, einen echten „Western“ aus Amerika zu sehen. Die Filme liefen allerdings nur in englischer Sprache, später mit deutschen Untertiteln. Der Eintritt kostete 50 Pfennig, und das Lustige war: Daneben mußte man im Winter zum Heizen des Kinos einen in Zeitungspapier eingewickelten Brikett an der Kasse abgeben !
Als mein Vater eine Anstellung in seinem erlernten Beruf als Tischler bei der Howaldt-Werft in Kiel-Dietrichsdorf bekam, fuhr er täglich mit „Hein-Schönberg“ hin und zurück nach Kiel.
„Hein Schönberg“, das war eine von einer furchtbar dampfenden und fauchenden kleinen Lokomotive gezogene Kleinbahn, wie man sie heute noch im Museumsbahnhof am Strand besichtigen kann. Schnell fuhr die Bahn sicher nicht, denn ich erinnere an ein Schild im Waggon, auf dem stand „Blumen pflücken während der Fahrt verboten !“. Ich glaube, die Fahrt für die ca. 20 Kilometer dauerte, allerdings mit vielen Haltestellen, „er hält an jeder Milchkanne“ – wie wir damals sagten – über eine Stunde. Busse fuhren zu der Zeit nicht zwischen Schönberg und Kiel.
Ich wurde von Neu-Schönberg umgeschult in die Schule schräg gegenüber dem Bahnhofshotel, heute ist das – glaube ich – ein Jugendzentrum mit Namen „Alte Penne“. Ich meine es war noch eine Volksschule oder schon Mittelschule ??
Später ging ich jedenfalls in die „Anerkannte Mittelschule zu Schönberg in Holstein“ (so hieß sie offiziell und formell, was vom damaligen Rektor Förster immer sehr betont und herausgehoben wurde !). Die war in mehreren Reetdachhäusern in der Stakendorfer Straße untergebracht. Später war hier die Jugendherberge. Auch aus der Zeit wäre viel zu berichten, z.B. das klassenweise Kartoffelkäfersammeln im Herbst, aber das würde den heutigen Rahmen sprengen. Jedenfalls verließ ich 1955 die Mittelschule mit dem Zeugnis der Mittleren Reife und begann mein Berufsleben als Lehrling in der Gemeindeverwaltung Schönberg.
Zu berichten wäre noch, daß etwa 1955 ein Nachbar sich das erste Auto in unserer Straße kaufte, es war ein Kleinwagen Marke Borgward-Arabella, viel bestaunt und bewundert von allen. Interessant war für uns Kinder und Jugendliche auch, daß ein kleverer Mann in der Siedlung sich mehrere der neu aufgekommenen Ballonreifen-Roller mit Rücktrittbremse gekauft hatte und diese stundenweise an uns verlieh, wenn ich mich recht erinnere für 20 Pfennig die Stunde. Das wurde sehr gut angenommen.
Anfang der Fünfziger gab es auch den ersten Fernseher in Schönberg, das Bild flimmerte abends blau hinter einem Restaurant-Zimmer im Hotel Stadt Hamburg. Das Hotel stand früher dort, wo heute „Schlecker“ sein Geschäft hat. Und wir drückten uns am Fenster die Nasen platt. 1953 sahen wir uns dort die Krönung der britischen Königin Elisabeth an und 1954 sahen wir den Gewinn der Fußball-WM in Bern. Wir mußten zwar keinen Eintritt bezahlen, Bedingung war allerdings, daß wir mindestens eine Cola für 50 Pfennig bestellten.
So, nun aber zum eigentlichen Thema. „Ein Altpfadfinder berichtet“oder „Peter L. berichtet vom Stamm Schwertlilie der CPD Schönberg vor 50 Jahren“.
Ich vermute, es war 1951, als ich im Alter von 13 Jahren auf eine Gruppe der Christlichen Pfadfinder aufmerksam wurde, die es in Schönberg gab. Ich besuchte die Gruppenabende, die mir gut gefielen und so wurde ich Mitglied. Ich weiß nicht, wie lange es die Christliche Pfadfinderschaft bei meinem Eintritt schon gab. Es gab keine Aufzeichnungen darüber und auch später haben wir nichts aufgeschrieben, was ich heute bedaure. Die Tatsache, daß die Pfadfindergruppe von der Organisationsform noch eine „Siedlung“ war, die erst nach einiger Zeit in einen „Stamm“ umgewandelt wurde, spricht dafür, daß die CP in Schönberg vielleicht 2-oder 3 Jahre vor meinem Eintritt, also 1949 -1950 gegründet worden war.
Der Siedlungsführer war damals Konrad Hansen. Dem einen oder anderen von Ihnen ist er später sicher bekannt geworden, denn er hat eine vielseitige und viel beachtete berufliche Karriere gemacht. Konrad Hansen wurde 1933 in Kiel geboren und wohnte später mit seinen Eltern in der Großen Mühlenstraße hier in Schönberg. Nach dem Studium der Germanistik, Philosophie, Theologie und Volkswirtschaft in Kiel und Freiburg war er Redakteur und dann Leiter und Programmgestalter der Abteilung Heimatfunk von Radio Bremen. Von 1980 bis 1986 war Konrad Hansen Intendant des Ohnsorg-Theaters, danach leitete er einige Jahre die Niederdeutsche Bühne Flensburg. Er hat mehrere Bücher, die immer hier in der Probstei, also in Schönberg und Umgebung spielen, und viele plattdeutsche Hörspiele und Theaterstücke geschrieben. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Regisseur in Großsolt im Kreis Schleswig-Flensburg. Vor 3 Jahren wurde er zum 70.Geburtstag hier in Schönberg geehrt.
Man sieht, Pfadfinderführer kann das Sprungbrett für ein große Karriere sein, vermutlich ist Moritz deshalb auch Pfadfinderführer geworden.
Nachdem ich als Jungpfadfinder und später Pfadfinder der Sippe „Dietrich von Bern“ angehörte, wurde ich irgendwann ihr Sippenführer und zum „Knappen“ befördert. Es gab noch zwei weitere Sippen, die eine waren die „Wikinger“, den Namen der anderen Sippe kann ich nicht mehr erinnern. Die Sippen hatten meiner Erinnerung nach ca. 6-8 Mitglieder, die Siedlung „Schwertlilie“ hatte also ca. 25 Mitglieder.
Als 1952 Konrad Hansen zu studieren begann, und die Siedlungsführung abgab, wurde ich sein Nachfolger. In den Jahren danach wurde aus der „Siedlung“ ein „Stamm“, ich machte weiter Pfadfinder-Karriere, wurde zum „Späher“ und später zum „Kreuzpfadfinder“ befördert.
Ich gründete ca.1954 zusätzlich eine Sippe in Probsteierhagen, die von mir bzw. uns mit betreut wurde.+Vom Organisatorischen weiß ich noch, daß wir damals dem Gau „Förde“ angehörten, der zusammen mit anderen Gauen den Landesbund „Nordmark“ bildeten.
Was haben wir nun so gemacht als Pfadfinder. „Jeden Tag eine gute Tat zu tun“, wie der gebrechlichen Oma über die Straße zu helfen, was der Laie mit dem Begriff „Pfadfinder“ schlechthin verbindet, wäre etwas zuwenig gewesen. Natürlich gab es gewisse moralische und ethische Grundsätze, die vielfältig in unserer Gruppenarbeit immer wieder angesprochen und praktiziert wurden, dazu gehörten z.B. Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Achtung des Anderen, um nicht zu sagen: Nächstenliebe undgegenseitige Rücksichtnahme. Wir haben – glaube ich – in der Gruppenarbeit immer wieder festgestellt, das man in der Gemeinschaft stärker ist, als einzeln und daß man gemeinsam in kritischen Situationen „Berge versetzen kann“ und daß die soziale Bindung sehr stark sein kann und in der Gruppe sehr geprägt wurde. Jeder hat gelernt, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Das graue Hemd und das blaue Halstuch als Tracht, trugen wir damals schon, wie Ihr heute auch.So ziemlich jeder hatte einen Spitznamen, mit dem er auch grundsätzlich angeredet wurde, meiner war „Taba“, abgekürzt von Tabaqui, dem Schakal aus dem „Dschungelbuch“, das damals Pflichtlektüre war.
Den richtigen Namen des anderen kannte man oft gar nicht. So kam es, daß ein Pfadfinder aus dem Urlaub mit seinen Eltern seinem Sippenführer (dessen Spitzname „Eule“ war) eine Karte schickte, die adressiert war an „ Eule, Schönberg in Holstein“. Erstaunlicherweise kam die Karte an.
Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen …
– Kreuz-Pfadfinder Peter Lammertz berichtete über das Pfadfinderleben in Schönberg vor 50 Jahren –
Ein ehemaliger Schönberger Sippenführer hält Rückschau (Fortsetzung)
Schönberg (hg). In unserer Ausgabe vom 15. September 2006 berichteten wir über den Elternnachmittag der Schönberger Pfadfindersippe der „Turmfalken“. Und natürlich über den Ehrengast des Nachmittages, den Kreuz-Pfadfinder Peter Lammertz aus Kiel, der vor rund 50 Jahren die Leitung der damaligen Schönberger Pfadfinder hatte. Er hatte einen ausführlichen Rückblick auf das Pfadfinderleben in Schönberg vor 50 Jahren mitgebracht, in dem – so ganz nebenbei – auch viel über das damalige Leben in Schönberg steht. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns zum Abdruck des gesamten Berichtes entschlossen. Begonnen wurde damit am 15. September, in unserer heutigen Ausgabe bieten wir Ihnen, liebe Leser, den Schlussteil dieses ausführlichen Berichtes an. Unternehmen Sie mit dem ehemaligen Schönberger Peter Lammertz über den „Herold“ einen Zeitsprung über fünf Jahrzehnte.
– Fortsetzung des Bericht von Peter Lammertz –
Wir haben vermutlich viele Dinge gemacht, die Ihr – meine Pfadfinderfreunde – heute auch noch macht. Wir hatten hier im alten Pastorat einen Gruppenraum, der an unterschiedlichen Tagen von den Sippen genutzt wurde und in dem wir uns einmal wöchentlich trafen.
Was fällt mir ein, wenn ich an die Heimabende denke. Ich erinnere mich, daß wir Knoten gelernt bzw. uns gegenseitig beigebracht haben. Wir haben die verschiedenen Wolkengebilde gelernt und ihre Auswirkungen auf das Wetter. Wir haben die Sterne und Sternbilder gelernt und wie man mit dem Kompaß umgeht. Das Erkennen von Bäumen und Sträuchern am Laub und an der Krone und das Erkennen von heimischen Tieren anhand der Fußspuren in der Erde und im Schnee gehörte dazu wie das richtige Lesen von Land – bzw. Straßen – und Wanderkarten.
Ich erinnere mich gern an das Lernen und Singen neuer und alter Lieder, wobei meistens einer die Klampfe dazu spielte. Unsere Liederbücher waren immer selbst geschrieben, mit BIldern (mit Scriptol gemalt oder abgemalt) ) verziert und immer kleine Kunstwerke. Ich erinnere mich an Lieder, wie „Wir lieben die Stürme“, „Jenseits des Tales standen ihre Zelte“, „Vom Aufgang der Sonne, bis zu ihrem Untergang…“, wobei mein absoluter Hit – Lieblingslied sagte man damals – „Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden…“ war. Leider gehört das heute nicht zu Eurem Repertoire, wie mir Moritz am Telefon sagte.
Oft schaute an den Sippenabenden auch der „Schirmherr“ unseres Stammes, Pastor Gottfried Damm, mal herein und besprach mit uns die Wochen- oder Monatslosung, diskutierte mit uns „über dies und das“ und sprach ein Gebet mit uns. Wir mochten ihn gern. Er war sehr menschlich und warmherzig, wurde andererseits als Autorität geschätzt, ein Mann – immer in Schlips und Kragen -, zu dem man aufsah, von dem ich allerdings nicht erinnere, daß er sich jemals zu uns an`s Lagerfeuer gesetzt hat. Bei unseren Wünschen, die wir immer mal wieder hatten, wie z.B. neue Zelte oder eine Kohte, einen Hordentopf oder einen Zuschuß für die Sippen- oder Stammesfahrten fanden wir immer ein offenes Ohr und er hat unsere Anliegen immer erfolgreich im Kirchenvorstand durchsetzen können.
Da wir ja Christliche Pfadfinder waren, war der Gottesdienst-Besuch am Sonntag in der Regel Pflicht, wurde aber auch freiwillig gern praktiziert. Auch für kleine Dienstleistungen im Rahmen der Kirchenarbeit waren wir natürlich „allzeit bereit“.
Pfingsten wurde meistens ein Gau-Lager veranstaltet und in den Sommerferien machten die Sippen ihre großen Sommerfahrten. Dabei ging es oft ganz schön weit und immer ausschließlich nur mit dem Fahrrad. Es waren andere Fahrräder, als die heutigen. Sie waren solide und robust, natürlich ohne Rahmenfederung oder Sattelfederung und ohne Gangschaltung !! Sie mußten stabil sein, denn es gab es viel zu transportieren auf dem Gepäckträger und in den Seitentaschen.
Ich erinnere mich an ein besonders Sommererlebnis. Da hatten wir abgemacht, daß jede Sippe in eine andere Richtung fährt, eine in die Lüneburger Heide, eine rund um Nord-Schleswig-Holstein und eine in den südlichen Teil nach Segeberg, Lübeck, Ratzeburg usw. Nach 14 Tagen wollten wir uns dann zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Punkt Schleswig-Holsteins treffen, den jeder Gruppenführer in der Karte markiert hatte und anschließend wollten wir dann noch ein einwöchiges gemeinsames Zeltlager machen. Ich hatte vorher mit dem Pastor in Trittau und einem Bauern vereinbart, daß wir dort auf einer Wiese unsere Zelte aufschlagen durften. Was war ich froh, daß an dem abgemachten Tag alle 3 Sippen nur mit kleinen Zeitverzögerungen am geplanten Zeltplatz eintrafen.
Apropos Zelte: Unsere Zelte waren – gemessen mit heutigen Maßstäben – auch sehr einfach.
Ich glaube, wir schliefen in ihnen meist zu viert. Die Zelte hatten keinen Boden und keine Innenzelte schon gar keine Vorzelte. Unter den Wolldecken, auf denen wir schliefen, lag Reisig oder auch mal Stroh, das wir uns von einem Bauern holten. Schlafsäcke, Luftmatratzen oder Isomatten gab es nicht.
Nachts wurde meistens eine 2-stündige Wache gestanden, oft an einem kleinen Feuer.
Ich erinnere mich, daß wir einmal am Waldrand in der Nähe eines Kartoffelackers lagerten, so bekam der Kamerad, der die Wache von 4.00 – 6.00 Uhr hatte, den Auftrag, den Hordentopf mit Kartoffeln zu füllen, und mittags gab es dann Bratkartoffeln mit Rühreiern von Eiern, die wir vorher beim Bauern „geschnorrt“ hatten. Praktisch war dafür beim großen Hordentopf, daß der Deckel gleichzeitig die Bratpfanne war. Ansonsten wurden viel Knorr – oder Maggi-Suppen mit Nudeln gekocht, die Zutaten mußte jeder vor der Fahrt von zuhause mitbringen.
Was wußten wir von ernährungsphysiologischen Grundsätzen, von einer ausreichenden und ausgewogenen Ernährung mit viel Gemüse und Obst. Hauptsache wir hatten immer etwas im Magen. Bei einem Elternabend kam dann auch der besorgte Einwand eines Vaters – der Arzt war – daß sein Sohn doch sehr „schmal“ von der Fahrt zurück gekommen wäre.
Immerhin haben aber alle die oft strapaziösen Fahrten gut überstanden.
Wenn das Wetter mal zu schlimm war, versuchten wir ein Nachtquartier bei einem Bauern zu bekommen. Das war dann in der Scheune oder auch mal im Pferdestall, dort war es in kühlen Nächten immer angenehm warm. Um den Bauern gnädig zu stimmen, gaben wir immer demonstrativ unsere Streichhölzer ab. Und verabschiedet und bedankt haben wir uns am nächsten Morgen meistens mit einem gemeinsam zur Klampfe gesungenen Lied.
Ich glaube, wir haben immer einen guten Eindruck hinterlassen.
Gern waren wir auch im alten Schafstall, der in Heidkate zwischen Wald und Deich lag und der der Kirche gehörte. Nachdem wir den mit vereinten Kräften etwas hergerichtet hatten, haben wir dort so manches Wochenende verbracht, abends am Lagerfeuer gesessen und unsere Lieder gesungen, bevor wir dann müde in’s Stroh fielen. Es sei denn, es stand eine Nachtwanderung auf dem Programm, die – wie ich mich erinnere – wegen des Waldes und des einsamen Strandes, der Dünen und des Deiches und des fahlen Mondlichtes, das alles schaurig beleuchtete, immer wieder Gänsehaut verursachte.
Einmal jährlich haben wir einen Elternabend bzw. Elternnachmittag veranstaltet. Ich erinnere mich gut an einen, bei der wir die Weihe einer neuen Stammesfahne vorgenommen, ein mittelalterliches Theaterstück in entsprechenden selbst oder von Mutter und Oma gefertigten mittelalterlichen Kostümen aufgeführt haben und bei dem es Kaffee und von den Eltern selbst gebackene Kuchen gab und bei dem wir als besondere Attraktion eine Tombola veranstaltet haben. Dazu sind wir vorher wochenlang durch die Geschäfte in Schönberg und Umgebung gezogen und haben Sachspenden für unsere Tombola „erbettelt“, meistens waren es natürlich Ladenhüter, aber es waren doch auch einige recht gute Preise dabei. Jedenfalls wurden am Elternabend die Lose so zahlreich und schnell gekauft, daß die vorgefertigten nach kurzer Zeit ausverkauft waren und man immer noch weitere forderte. Da haben wir in aller Eile noch etliche dazu gefertigt, die natürlich alle Nieten sein mußten, da die Preise ja verplant waren. Hab’ ich hinterher ein schlechtes Gewissen gehabt………….
Allerdings kam natürlich ein schönes Sümmchen für unsere Fahrtenkasse zusammen.
1955 begann ich meine Berufsausbildung, zuerst bei der Gemeindeverwaltung Schönberg als Verwaltungslehrling, dann wechselte ich zu Deutschen Bundesbahn. Durch den sehr unregelmäßgen Dienst, durch Schicht – und Wochenenddienst war es dann irgendwann nicht mehr möglich, den Pfadfinderstamm weiter zu führen. Ich gab das Amt ab und so endete dieses Kapitel meiner Jugendzeit ca. 1956. Da wir aus Schönberg wegzogen, habe ich leider auch nicht mehr verfolgt, wie es hier weiterging.
So, meine Damen und Herren, liebe Pfadfinderfreunde, das soll’s vorerst gewesen sein.
Ihr merkt, wenn man erst erstmal in das Erinnern kommt, sprudelt vieles nur so aus einem heraus, obwohl mehr als 50 Jahre vergangen sind. Ich denke jedenfalls gern an die schönen Jugendjahre und die Pfadfinderzeit in Schönberg zurück.
Ich wünsche Euch, liebe Pfadfinderfreunde, immer viel Freude und viele schöne Erlebnisse
als Pfadfinder, so daß Ihr – wie ich – später gern an diese Zeit zurückdenkt.
Danke.
Auch dieses Foto brachte Peter Lammertz mit. Es entstand bei einer Wimpel-Weihe für eine der damaligen drei Schönberger Pfadfinder-Sippen.